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Erste Untersuchungen der Meteorite aus dem Streufeld des Asteroiden 2024 BX1, der am 21. Januar 2024 nordwestlich von Berlin nahe Ribbeck die Atmosphäre durchschlug und um 1.32 Uhr weithin als heller Meteor zu sehen war, sind am Museum für Naturkunde Berlin (MfN) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erfolgreich vorgenommen worden. Die walnussgroßen Meteorite haben die seltene chemische Zusammensetzung vom Typ Aubrit.

Die Ergebnisse der Klassifikation wurden am 2. Februar 2024 bei der internationalen Nomenklaturkommission der Meteoritical Society zur Prüfung und Bestätigung eingereicht. „Die Funde sind ein Glücksfall für die Meteoriten- und Planetenforschung“, freut sich Dr. Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin, „diese seltenen Aubrite helfen uns sogar bei der Erforschung des Planeten Merkur, die wir ab Dezember 2025 mit der europäischen Mission BepiColombo beginnen werden.“ 

In der Nacht vom 20. auf den 21. Januar, Samstag auf Sonntag, ereignete sich am Himmel über Berlin ein wissenschaftlich ganz außergewöhnlicher Zufall. Das Minor Planet Center, ein Asteroiden-Überwachungssystem der amerikanischen Weltraumorganisation NASA, meldete gegen Mitternacht, dass um 1.32 Uhr MEZ ein etwa ein Meter großer Asteroid über Berlin in die bis in eine Höhe von 100 Kilometer reichende Erdatmosphäre eindringen und zum größten Teil verglühen würde. Die Nacht war klar, so dass sowohl automatisierte, auf die Erfassung von Meteore ausgelegte Kamerasysteme die Feuerkugel registrierten, aber auch Amateurinnen und Amateure mit dem Mobiltelefon die Leuchtspur des kosmischen Körpers festgehalten haben. Die sekundenlange Leuchtspur des Boliden wurde sogar noch in Leipzig und Prag aufgezeichnet.

Aus den Laboren auf die Äcker Brandenburgs

Experten konnten aus den unterschiedlichen geometrischen Orientierungen der Leuchtspur berechnen, wo möglicherweise Bruchstücke, die beim Durchschießen der Atmosphäre nicht verglüht sind, als Meteorite auf die Erde gefallen sind: Sie konnten das Gebiet auf wenige Quadratkilometer von Äckern westlich von Berlin bei Nennhausen im Landkreis Havelland eingrenzen. Die Medien berichteten am Sonntagmorgen von dem Ereignis, und auch in den einschlägigen Social-Media-Kanälen von Astronominnen, Astronomen und Planetenforschenden verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer.

Interessierte machten sich am Sonntag und den Folgetagen auf die Suche nach Meteoriten – und waren überaus erfolgreich. Es ist erst der achte Fall weltweit, für den die Kollision eines Asteroiden mit der Erde kurz vor dem Eintritt vorhergesagt wurde. Ein großes Such-Team des Museums für Naturkunde Berlin, des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin und dem SETI Institute (USA) sammelte zwischen dem 21. und 28. Januar mehr als 20 Bruchstücke für die Forschungssammlung des Museums für Naturkunde.

Ein fast unfassbarer Zufall

Die meisten Meteorite werden in Gebieten ohne Vegetation gefunden, wie in Wüsten oder auf den Eisflächen der Antarktis. Dass nun ein Meteoritenfall, dazu noch vorhergesagt, quasi vor der Haustüre von mehreren Forschungseinrichtungen passiert, die sich mit diesen „Himmelssteinen“ befassen, ist ein ganz außergewöhnlicher Zufall – die Fläche aller Kontinente umfasst schließlich 150 Millionen Quadratkilometer. Drei Proben werden im Labor des DLR-Instituts für Planetenforschung untersucht.

Die ersten Ergebnisse der Untersuchungen eines dieser Stücke mit der Elektronenstrahlmikrosonde des Museums für Naturkunde belegen die typische Mineralogie und chemische Zusammensetzung eines Achondriten vom Typ der Aubrite. Achondrite sind Steinmeteoriten, die nicht, wie die meisten Meteorite, aus millimeterkleinen Kügelchen aufgebaut sind, sondern eine, gewöhnlichen Steinen ähnelnde Matrix haben. 

Der Aubrit, an dem erstmals dieses Material beschrieben wurde, befindet sich sogar in der Forschungssammlung des Museums für Naturkunde Berlin. Dieser fiel, daher der Name, am 14. September 1836 bei Aubres im Südosten Frankreichs. „Anhand dieses Belegmaterials konnten wir relativ zügig eine grobe Einordnung vornehmen“, erläutert Dr. Ansgar Greshake, wissenschaftlicher Leiter der Meteoritensammlung des Berliner Museums.

„Das unterstreicht die immense Bedeutung von Sammlungen für die Forschung. Weltweit gibt es bisher erst von elf beobachteten Aubrit-Fällen Material in Sammlungen.“ Das Berliner Museum kuratiert mit über 12.000 Exemplaren eine der größten Meteoritensammlungen der Erde. Die Meteorite werden zu Forschungszwecken untersucht und zu einem Teil in der Ausstellung gezeigt. Meteorite stellen Urbausteine des Sonnensystems dar und sind wertvolle Proben für die Erforschung der Entstehung und Entwicklung von Planeten. 

Aubrite sehen nicht aus, wie man sich allgemein Meteorite vorstellt. „Ein Aubrit ähnelt vom Aussehen her eher einem grauen Granit und besteht hauptsächlich aus den Magnesium-Silikaten Enstatit und Forsterit“, erklärt Christopher Hamann vom Berliner Naturkundemuseum, der an der Erstklassifikation beteiligt war. „Er enthält kaum Eisen und die Schmelzkruste, an denen man Meteorite üblicherweise gut erkennen kann, sieht völlig anders aus als bei den meisten anderen Meteoriten. Aubrite sind daher im Gelände schwierig zu erkennen.“ 

Die im Havelland gefundenen Bruchstücke werden nach Abschluss der Untersuchungen in verschiedenen, auf unterschiedliche wissenschaftliche Aspekte spezialisierte Labore in Berlin, Dresden und Münster, der Öffentlichkeit in einer kleinen Sonderausstellung zugänglich gemacht. Informationen hierzu folgen. Auf dem YouTube-Kanal des Museums findet sich ein Video zur Erforschung des Materials am Museum für Naturkunde Berlin als Teil der Serie „Museums-Evolution“.

Die Havelland-Meteorite helfen bei der Erforschung des Merkur

Der Zufälle nicht genug, nützen die Aubrite auch bei den Vorbereitungen für die Erforschung des Planeten Merkur mit der Raumsonde BepiColombo der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Diese wird am 5. Dezember 2025 in eine Umlaufbahn um den Planeten einschwenken. „Aubrite sind die besten Analoge, die wir für die Oberfläche des Merkurs haben“, erklärt Jörn Helbert, Leiter der Abteilung Planetare Labore. Dort werden unter anderem Gesteins- und Staubproben, die man auf der Venus und dem Merkur vermutet, unter den dort herrschenden extrem hohen Temperaturen hinsichtlich ihrer spektralen Eigenschaften untersucht.

„Dank dieses kosmischen Zufalls können wir an den Aubrit-Meteoriten gut anderthalb Jahre vor Missionsbeginn wichtige Untersuchungen an einem Merkur-Analoggestein im Labor vornehmen. Dies Zufall ist kaum zu fassen!“ Gemeinsam mit dem benachbarten DLR-Institut für Optische Sensorsysteme und der Universität Münster wurde am DLR für BepiColombo ein Spektrometer entwickelt, das die Mineralogie des Merkur kartieren wird.